Frauen sind zyklisch: Warum hormonzyklusinklusive Konzepte die Arbeitswelt bereichern

Frauen sind zyklisch: Warum hormonzyklusinklusive Konzepte die Arbeitswelt bereichern

10.01.2025

Eileen Hesseling hat ein Jahr lang bei hermaid gearbeitet und ihre Bachelorarbeit über hormonzyklusinklusive Arbeitsgestaltung geschrieben. In diesem Interview teilt sie ihre Erkenntnisse und Erfahrungen.

Eileen, was genau bedeutet "hormonzyklusinklusive Arbeitsgestaltung" und was hat dich zu dem Thema geführt?

E: Vor etwa drei Jahren wurde ich durch eine Reportage erstmals auf das Thema aufmerksam. Bis dahin war mir nie bewusst, dass der Hormonzyklus Einfluss auf meinen Arbeitsalltag haben könnte. Ich fand das Thema besonders spannend, da es sich um einen Aspekt handelt, der aufgrund gesellschaftlicher Stigmatisierung häufig unbeachtet bleibt.

Was sind die wichtigsten Ergebnisse deiner Arbeit?

E: Ich habe festgestellt, dass die grundlegende Forschung im Bereich Work Design eine erhebliche "Gender-Data-Gap" aufweist, dass heisst dass bisher wenige Menschen darüber nachgedacht haben das Frauen zyklisch sind und das es dazu auch kaum Daten gibt. Dies führt dazu, dass der Cis-Mann nach wie vor, wenn auch oft unbewusst, als Maßstab für alle Arbeitsmodelle betrachtet wird. Dabei wird außer Acht gelassen, dass der Hormonzyklus signifikante Auswirkungen auf den Arbeitsalltag haben kann.
Unsere Gesellschaft orientiert sich nach wie vor stark an androzentrischen Arbeitsmodellen – oft, ohne dass es den meisten überhaupt bewusst ist. Dies verhindert, dass Mitarbeitende ihr volles Potenzial entfalten können, was nicht nur zu ihrem Nachteil, sondern auch zum Nachteil des Unternehmens führt.

Welche konkreten Maßnahmen können Unternehmen ergreifen, um hormonzyklusinklusiver zu werden?

E: Der erste und wichtigste Schritt ist Aufklärung. Viele Mitarbeitende sind sich möglicherweise gar nicht bewusst, welchen Einfluss der Hormonzyklus auf den Arbeitsalltag haben kann. Vorträge und Workshops für ALLE Mitarbeitenden – insbesondere für Führungskräfte – können eine wertvolle Grundlage schaffen, um eine offene Diskussion über dieses oft tabuisierte Thema anzustoßen. Dabei ist es essentiell, sich bewusst zu machen, dass der Hormonzyklus in unserer Gesellschaft stark stigmatisiert ist.
Niemand sollte sich gezwungen fühlen, über den eigenen Zyklus zu sprechen. Die Aufgabe des Unternehmens besteht vielmehr darin, aktiv einen geschützten Raum zu schaffen, der diesen Austausch ermöglicht. Ein solcher Dialog trägt langfristig dazu bei, individuelle Lösungen zu entwickeln, die sowohl den Bedürfnissen der Mitarbeitenden als auch den Zielen des Unternehmens gerecht werden.
Ein weiterer zentraler Aspekt ist das Thema Präsentismus. 60% aller Frauen fühlen sich am ersten Tag ihrer Periode erschöpft oder haben gar Schmerzen. Langfristig sollte es für jedes Unternehmen das Ziel sein, Arbeitszeiten und Anwesenheit so flexibel wie möglich zu gestalten. Veränderung beginnt jedoch oft im Kleinen. Viele Unternehmen bieten inzwischen Homeoffice-Regelungen an, die klassischerweise auf wöchentlicher Basis festgelegt sind. Das heisst nicht was wir in Deutschland einen Perioden-Leave einführen sollten.
Wird diese Regelung jedoch leicht angepasst – beispielsweise indem anstelle von „2 von 5 Tagen pro Woche“ eine Flexibilität von „8 von 20 Arbeitstagen pro Monat“ ermöglicht wird – bleibt die Präsenzquote (60 % der Arbeitszeit) zwar gleich, aber es entsteht ein flexiblerer Rahmen. Dieser berücksichtigt die Bedürfnisse menstruierender Mitarbeitender und schafft einen wichtigen Schritt hin zu mehr Individualität und Empathie in der Arbeitsgestaltung.
Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Ansätze, um ein hormonzyklusinklusives Arbeitsumfeld zu gestalten. Diese im Detail auszuführen, würde jedoch den Rahmen dieses Interviews sprengen.

Welche Vorteile hat eine hormonzyklusinklusive Arbeitsgestaltung für Unternehmen?

E: Unternehmen, die die Individualität ihrer Mitarbeitenden berücksichtigen, profitieren in vielerlei Hinsicht. Dazu gehören:

  • Gesteigerte Motivation und Produktivität: Wer sich wohl und unterstützt fühlt, ist motivierter und leistungsfähiger.
  • Geringere Fehlzeiten: Durch die Berücksichtigung der hormonellen Bedürfnisse können Fehlzeiten reduziert werden.
  • Verbessertes Arbeitsklima: Eine inklusive Arbeitskultur fördert ein positives und respektvolles Arbeitsklima.
  • Höhere Attraktivität als Arbeitgeber: Unternehmen, die sich für die Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden einsetzen, sind attraktiver für Fachkräfte.

Was sind deine wichtigsten Empfehlungen für Frauen und Unternehmen?

"Ich möchte allen Menschen mit einem weiblichen Hormonzyklus ans Herz legen, sich selbst bewusst zu beobachten und herauszufinden, wie sich ihre Bedürfnisse und Fähigkeiten – etwa in Bezug auf soziale Interaktionen oder Konzentrationsfähigkeit – in den verschiedenen Phasen des Zyklus verändern."


E: Unternehmen sind gefordert, bestehende Strukturen zu hinterfragen und deren Sinnhaftigkeit zu überprüfen. Dabei sollten sie proaktiv auf ihre Mitarbeitenden zugehen und einen Rahmen schaffen, der einen konstruktiven, scham- und stigmatisierungsfreien Austausch ermöglicht.
Es ist wichtig, dass wir gemeinsam daran arbeiten, die Arbeitswelt inklusiver und gerechter zu gestalten.

Vielen Dank für das Interview, Eileen!

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