In den letzten zehn Jahren hat sich die Anzahl der Krankheitstage aufgrund von psychischen Gesundheitsproblemen erheblich erhöht. Dieser Trend hebt die wachsende Bedeutung der psychischen Gesundheit der Mitarbeiter für Unternehmen hervor. Krankheitstage sind jedoch nur späte Indikatoren und spiegeln nicht die gesamte Bandbreite der Herausforderungen wider, mit denen Arbeitgeber hinsichtlich der psychischen Gesundheit ihrer Belegschaft konfrontiert sind.
Präventive Maßnahmen und gezielte Unterstützung sind entscheidend, um das Wohlbefinden der Mitarbeiter zu fördern und negative Auswirkungen auf Produktivität und Leistung zu verhindern. Es ist wichtig, verschiedene Faktoren zu berücksichtigen, die die psychische Gesundheit beeinflussen können.
Einer dieser Faktoren sind hormonelle Veränderungen, insbesondere in den Wechseljahren. Diese Phase stellt für viele Frauen eine besondere Herausforderung dar, die nicht nur ihren physischen, sondern auch ihren psychischen Zustand betrifft. Unter einer Vielzahl von anderen Symptomen gehören psychologische Nebenwirkungen zu den häufigsten Phänomenen, die das Berufsleben beeinflussen.
Die Zahlen verdeutlichen die Relevanz dieses Themas für Arbeitgeber:
Diese Statistiken unterstreichen die Notwendigkeit für Unternehmen, Maßnahmen zu ergreifen, um ihre Mitarbeiter in dieser Phase bestmöglich zu unterstützen.
Die Wechseljahre, auch Perimenopause genannt, sind eine komplexe Phase im Leben einer Frau, die oft Anfang der 40er Jahre beginnt. Es handelt sich um einen Prozess, der der „umgekehrten Pubertät“ ähnelt, mit Symptomen, die kommen und gehen können.
Physische und psychische Symptome
Zu den häufigsten Beschwerden in dieser Zeit gehören:
Diese Symptome können erhebliche Auswirkungen auf das Berufsleben haben und die Leistung beeinträchtigen.
Hormonelle Veränderungen, insbesondere der Rückgang des Östrogenspiegels, spielen eine zentrale Rolle beim Auftreten dieser Symptome. Östrogen reguliert wichtige Gehirnfunktionen und beeinflusst Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Stimmung. Ein Rückgang des Östrogenspiegels kann zu Konzentrationsschwierigkeiten, Gedächtnisproblemen und depressiven Stimmungen führen.
Zusätzlich trägt der Rückgang von Progesteron, das beruhigende und angstreduzierende Wirkungen hat, zur verstärkten Angst bei. Viele Frauen berichten von vagen Ängsten, Panikattacken und grübelnden Gedanken, die ihre Leistung beeinträchtigen.
Angesichts dieser Herausforderungen stellt sich die Frage, wie Unternehmen ihre Mitarbeiter in dieser Phase am besten unterstützen können.
Ein entscheidender Faktor ist die Schaffung einer offenen Unternehmenskultur, in der über die Wechseljahre gesprochen werden kann. Viele Frauen finden es peinlich, Unterstützung zu suchen, da das Thema noch tabuisiert ist. Durch gezielte Aufklärungsmaßnahmen und wertschätzende Kommunikation können Arbeitgeber dazu beitragen, dieses Tabu zu brechen.
Flexible Arbeitsmodelle und die Möglichkeit für Homeoffice können erhebliche Erleichterungen für Frauen in den Wechseljahren bieten. Sie ermöglichen es, individuelle Bedürfnisse zu berücksichtigen, wie z.B. die Notwendigkeit einer Pause oder die Option, an Tagen, an denen man sich unwohl fühlt, von zu Hause aus zu arbeiten.
Viele Frauen profitieren von hormoneller Therapie (Hormonersatztherapie, HRT), die Symptome effektiv lindern kann. Arbeitgeber können ihre Mitarbeiter unterstützen, indem sie die Kosten solcher Behandlungen übernehmen oder zumindest teilweise erstatten.
Manager spielen eine wichtige Rolle bei der Unterstützung von Mitarbeitern während der Wechseljahre. Durch Schulungen und Sensibilisierungsprogramme können sie lernen, Symptome zu erkennen und angemessen darauf zu reagieren. Ein offenes Ohr, Verständnis und Flexibilität sind dabei essenziell.
Um die Auswirkungen der Wechseljahre auf das Berufsleben besser zu verstehen, ist es hilfreich, persönliche Berichte zu betrachten. Annunziata, eine 41-jährige Frau, die seit vier Jahren in der Perimenopause ist, teilt ihre Geschichte. Sie betreibt den Instagram-Account PeriHub, auf dem sie Informationen über die Perimenopause bereitstellt.
Für Annunziata war der Weg zur richtigen Diagnose und Behandlung lang und mühsam. Zunächst wurde sie mit Burnout und später mit moderater Depression falsch diagnostiziert. Weder sie noch die Ärzte erkannten zunächst, dass ihre Symptome mit den Wechseljahren zusammenhingen.
„Persönlich haben mich diese nicht erkannten Wechseljahresbeschwerden völlig aus der Bahn geworfen“, berichtet Annunziata. „Ich war drei Monate krankgeschrieben und konnte, obwohl ich wieder arbeiten konnte, dies nur mit Hilfe eines Antidepressivums tun. Auch wenn die Symptome behandelt wurden, fühlte ich mich immer noch miserabel.“
Erst nach insgesamt 20 Arztbesuchen und einer Odyssee von acht bis zwölf Monaten erhielt Annunziata die richtige Diagnose. Als sie bereit war, private Therapiekosten zu tragen, wurde die Ursache ihrer Beschwerden schließlich als Wechseljahre identifiziert.
„Ich bin ein sehr gutes Beispiel dafür, wie die richtige Therapie, in meinem Fall eine identische Hormonersatztherapie, über Nacht wirken kann“, berichtet Annunziata. „Nach einem Jahr unnötigen Leidens haben sich meine Symptome dank der richtigen Behandlung erheblich verbessert.“
Annunziatas Geschichte verdeutlicht die Notwendigkeit, die Wechseljahre aus der Tabuzone herauszuholen und offen darüber zu sprechen. Viele Frauen wissen nicht, dass ihr Risiko für Depressionen in dieser Phase um 40 % steigt und erkennen die Zusammenhänge nicht.
Motiviert durch ihre Erfahrungen gründete Annunziata den Instagram-Account „PeriHub“, auf dem sie ihre Erfahrungen teilt und über psychische Symptome der Wechseljahre aufklärt. „Wir können enorm profitieren, auch wenn wir so miserabel waren wie ich“, betont sie.
Sandra Tschöpe, psychologische Psychotherapeutin mit Schwerpunkt Frauengesundheit, beleuchtet die psychischen Auswirkungen der Wechseljahre aus professioneller Perspektive.
Hormonelle Einflüsse auf die Psyche
„Mit dem Beginn der Perimenopause sinken die Hormone Östrogen, Progesteron und Testosteron“, erklärt Sandra. „Östrogen spielt eine wichtige Rolle im Gehirn und reguliert Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Stimmung. Wenn es abnimmt, geht dieser Schutz für Nervenzellen verloren.“
Progesteron, das beruhigende und angstreduzierende Wirkungen hat, sinkt ebenfalls. Dieser Hormonmangel kann zu Konzentrationsstörungen, Stimmungsschwankungen und vagen Ängsten führen, die sich in einem depressiven Grübelzyklus äußern.
Ganzheitliche Betrachtung der Lebenssituation
Sandra betont die Bedeutung, die gesamte Lebenssituation einer Frau zu betrachten. „Wir haben überprüft, ob sie das Klavier wirklich tragen muss, oder ob sie auch öfter die Notenblätter tragen könnte“, veranschaulicht sie.
Die Fähigkeit, Grenzen zu setzen und die eigenen Bedürfnisse zu erkennen, ist entscheidend, um die Herausforderungen der Wechseljahre zu bewältigen. Ein therapeutischer Kontext kann hilfreich sein, um Strategien für Stressbewältigung und Selbstfürsorge zu entwickeln.
Ute Brambrink, Sprecherin bei Vodafone, erläutert, wie das Telekommunikationsunternehmen das Thema Wechseljahre in seine Unternehmenskultur integriert hat.
Initiativen des Mutterunternehmens
Die Initiative kam vor dreieinhalb Jahren von Vodafone’s Muttergesellschaft in London. Eine Studie unter weiblichen Mitarbeitern ergab, dass 66 % der Frauen durch Wechseljahre in ihrer Arbeit betroffen waren, 53 % Unterstützung wünschten und 50 % das Thema noch als Tabu betrachteten.
Aufklärungsmaßnahmen
Als Antwort entwickelte Vodafone ein „Toolkit“ mit Informationen über Wechseljahre, Gesprächsleitfäden und Unterstützungsoptionen. Zusätzlich wurden E-Learning-Kurse und interne Kommunikationskampagnen gestartet, um das Bewusstsein für das Thema zu schärfen.
„Die Zeit der Scham ist vorbei“, lautet das Motto einer Plakatkampagne, die darauf abzielt, Mitarbeiter zu ermutigen, offen über ihre Beschwerden zu sprechen.
Unternehmenskultur und Flexibilität als Schlüssel
Ute Brambrink betont die Bedeutung einer respektvollen Unternehmenskultur und flexibler Arbeitsmodelle. „Wenn ich schlecht geschlafen habe, brauche ich vielleicht morgens zwei zusätzliche Stunden“, veranschaulicht sie. „Oder ich mache am Nachmittag eine dreistündige Pause und bin abends wieder fit.“ Homeoffice-Optionen und die Offenheit, die eigene Situation mit Vorgesetzten zu besprechen, sind „unbezahlbar“ für Frauen in den Wechseljahren.
Gleichstellung und Fachkräftemangel
Aus der Perspektive von Ute Brambrink ist die Unterstützung weiblicher Mitarbeiterinnen in den Wechseljahren nicht nur eine Frage der Fürsorge, sondern auch eine wirtschaftliche Überlegung.
Vermeidung von Fachkräftemangel
„Wenn wir diese Frauen verlieren, wäre das grob fahrlässig“, betont sie. „Es wäre schade, wertvolle Mitarbeiterinnen zu verlieren, nur weil wir sie in dieser Phase nicht unterstützt haben.“ Besonders im Hinblick auf den Fachkräftemangel und die alternde Belegschaft ist es entscheidend für Unternehmen, erfahrene Mitarbeiterinnen zu halten und zu unterstützen.
Gleichheit und Karrierechancen
Darüber hinaus spielt die Unterstützung von Frauen in den Wechseljahren eine wesentliche Rolle bei der Gleichstellung und Karriereförderung. Viele Frauen reduzieren ihre Arbeitsstunden oder verzichten auf Beförderungen in dieser Phase, weil sie sich den Anforderungen nicht gewachsen fühlen. Durch gezielte Maßnahmen können Unternehmen Frauen helfen, ihre Karriereziele zu verfolgen und ihr volles Potenzial auch in dieser Lebensphase auszuschöpfen.
Ausblick: Ganzheitliche Ansätze zur psychischen Gesundheit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Unterstützung von Mitarbeiterinnen in den Wechseljahren ein wichtiger Bestandteil der Förderung der psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz ist. Dies sollte jedoch Teil eines ganzheitlichen Ansatzes sein, der verschiedene Aspekte der psychischen Gesundheit berücksichtigt. Unternehmen sollten daher eine umfassende Strategie zur Förderung der psychischen Gesundheit entwickeln, die neben den Wechseljahren auch andere Faktoren wie chronische Krankheiten, Burnout-Prävention und eine ausgewogene Work-Life-Balance anspricht. Ein ganzheitlicher Ansatz, der sich auf Bildung, Verständnis und individuelle Unterstützung konzentriert, kann dazu beitragen, dass Mitarbeiter sich wertgeschätzt und gestärkt fühlen, und das in allen Lebensphasen.
Letztendlich profitieren sowohl Unternehmen als auch Mitarbeiter von einer Kultur der Offenheit und Fürsorge. Durch die Anerkennung und aktive Auseinandersetzung mit den Herausforderungen der Wechseljahre schaffen Arbeitgeber nicht nur ein positives Arbeitsumfeld, sondern sichern auch die langfristige Bindung und Leistung ihrer Belegschaft.
Möchtest du das Panel noch einmal in voller Länge ansehen? Du kannst es auf unserem YouTube-Kanal „Mentale Gesundheit, Wechseljahre und Arbeitsplatz“ tun.
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